Anlage 7 Deutsche Werkstätten
Die „Deutschen Werkstätten“ für Handwerkskunst Hellerau und München entstanden 1907 aus einem Zusammenschluss der „Dresdner Werkstätten“ mit den „Münchener Werkstätten für Wohnungseinrichtung“. Man bemühte sich auch darum die „Vereinigten Werkstätten“ einzugliedern, was aber nur kurzzeitig gelang. 1909 hatte man eine gemeinsame Weihnachtsausstellung „Ausstellung für angewandte Kunst am Odeonsplatz“ in München. In dieser von Adelbert Niemeyer und Karl Bertsch gestalteten Ausstellung waren auch zahlreiche Festersenprodukte ausgestellt. Schon 1910 wurde diese Verbindung wieder aufgelöst. Der Innenarchitekt Karl Bertsch, Adelbert Niemeyer und Willy von Beckerath hatten 1902 die „Münchener Werkstätten“ gegründet. Die „Dresdner Werkstätten“ waren von dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Karl Schmidt, eines Tischlers und Werkmeisters, seit 1898 aufgebaut worden. Unter den zahlreichen Werkstätten unterschiedlicher Gewerbe Anfang des 20. Jahrhunderts kommt den „Deutschen Werkstätten“ eine besondere Bedeutung zu: vor allem deshalb, weil sich bei ihnen ein sozialer, pädagogischer, organisatorischer, ja sogar städtebaulicher, insgesamt also ein kulturpolitischer Aspekt hinzugesellt1. Etwas Besonderes war auch ihr Gründer Karl Schmidt, einem Mann aus dem Volke, der Not und Entbehrung selbst erfahren hat. Die „Deutschen Werkstätten“ waren von Anbeginn weniger prätentiös, weniger nur auf einen kleinen vermögenden Käuferkreis zugeschnitten. Aus einer Werbeschrift von 1899: „Wir schaffen Möbel, die so gestaltet sind, daß jedes Hausgerät gerade seinem besten Zweck dient und seinen Zweck in seiner Form zum Ausdruck bringt. Und ferner soll man unseren Möbeln ansehen, daß sie auf deutschem Boden gefertigt, von deutschen Künstlern geschaffen, der Ausdruck deutschen Gefühls und Empfindens sind.“ Die „Deutschen Werkstätten“ erlebten einen raschen Aufschwung und einen wirtschaftlichen Erfolg. Die Berichterstattung in führenden Kunstgewerbezeitschriften trug besonders dazu bei in einer sehr kurzen Zeitspanne eine relativ breite bürgerliche Bevölkerungsschicht für die neuen Bemühungen [der Dresdner Werkstätten] zu erwärmen und schließlich aufzuschließen. „Die zentralen künstlerischen und beratenden Persönlichkeiten der Anfangsphase der Werkstätten, Richard Riemerschmid, Hermann Muthesius, Fritz Schumacher, Adelbert Niemeyer, Friedrich Naumann, waren damals die entscheidenden Kräfte in Deutschland, die weitblickend, konstruktiv und sachlich genug waren, um aus dem gärenden Most des ‚Aufbruchs der modernen Kunst‘ den Aufbruch eines neuen Wohnens als Niederschlag einer wahrhaftigen Lebensform herauszudestillieren, und dies nicht nur in Abwendung von dem hohlen Pomp den Historismus, sondern jedweder leeren Repräsentationsattitüde. In Karl Schmidt, dem Begründer der Dresdner Werkstätten, fanden sie einen Partner, der den Mut besaß, diese Ideen zu realisieren.“2. Mit ihren ca. 300 Angestellten um 1908 waren die „Deutschen Werkstätten“ in der Lage Wohn- oder Geschäftshäuser mit Möbeln, Stoffen, Teppichen, Tapeten, Leichtkörpern, Gebrauchs- und Schmuckgegenständen fast ausschließlich aus eigener Produktion auszustatten. Eine eigene Keramik- oder Porzellanproduktion unterhielt man aber nicht. Im Jahr 1909 wurde der Grundstein für ein Fabrikgebäude im heutigen Dresden-Hellerau und damit zugleich für die Gartenstadt Hellerau gelegt. Die Inbetriebnahme der neuen Produktionshalle und damit der Umzug erfolgten 1910. Zu dem Zeitpunkt beschäftigten die „Deutschen Werkstätten“ bereits 450 Mitarbeiter. Zuerst hatte man in Dresden eine eigene Verkaufsstelle. In den kommenden Jahren kamen weitere in verschiedenen deutschen Großstädten hinzu, in Berlin gab es von 1908-1916 eine in der Bellevuestraße 10, ab 1910 eine weitere in der Königsgrätzer Straße, außerdem zeitweilige Ausstellungen im Kaufhaus A. Wertheim Leipziger, Ecke Voßstraße. In München befand sich das betriebseigene Geschäft 1909 zunächst am Odeonsplatz 1 später im Arco-Zinnerberg Palais am Wittelsbacher Platz 1. Und je eine in Hamburg und Hannover. Man lieferte praktisch deutschlandweit aus. Dazu Arnold (1993): „Auch hier galt das mit unbeirrbarer Konsequenz verfolgte Prinzip, nichts anzubieten, was den strengen Qualitätsmaßstäben nicht entsprach. Das hieß, nicht das zu verkaufen, was das Publikum haben wollte, sondern das, was es nach dem Willen der Reformer haben sollte.“3 Man zeigte in den Verkaufsstellen vornehmlich nur geschlossene Raumensembles (Salon, Herren-, Damen- oder Esszimmer). Dies entlastete den Käufer. Er wurde in die Lage versetzt, sich Gefüge, Funktionsablauf oder Farbwirkung vorstellen zu können. Damit verband sich zugleich eine ungemein nützliche pädagogische Aufgabe; denn auch der Straßenpassant wurde mit dem neuen Kunstgewerbe konfrontiert, wurde durch die Auslagen der Schaufenster eingeladen, sich mit neuartigen Wohnungsmöglichkeiten bekanntzumachen. Er konnte eintreten, das Geschäft ohne Kaufzwang durchschreiten, sich anregen lassen und dies nicht nur von Möbeln, sondern in gleicher Weise von Beleuchtungskörpern, Tapeten, Stoffen oder Teppichen, ferner von einer reichen Palette hochqualifizierten Kleingeräts einzelner Künstler oder anderer Werkstätten. So fand man in den Schauräumen Keramiken u.a. von Max Laeugers, ebenso aber die von Friedrich Festersen. Hinter diesem breiten Angebot stand der Wille: Jeder Teil der Einrichtung, jedes Gerät, sollte formale Qualität besitzen, sollte zur Ensemblebildung beitragen. Durch den vielfältigen Angebotsfächer wollte man aber auch die Störung des Raumeindrucks durch minderwertige Gerätschaften verhindern.4 Die angebotenen Waren und Produkte der Werkstätten waren auf thematisch verschiedene Verkaufskataloge mit jeweils beiliegender Preisliste aufgegliedert. Es gab u.a. einen Katalog Dresdner Hausgerät (Möbel), Handgearbeitete Möbel, Beleuchtungskörper und auch einen Katalog sog. Kleingerät. 1 Vgl. Wichmann, Hans: Deutsche Werkstätte und WK-Verband 1898-1990. Aufbruch zum neuen Wohnen, Prestel Verlag 1992, S. 14 2 Vgl. Wichmann, a.a.O.: S. 9, in Bezug auf die Situation 1904-1906 3 Vgl. Arnold, Klaus-Peter: Vom Sofakissen zum Städtebau. Die Geschichte der Deutschen Werkstätten und der Gartenstadt Hellerau, Verlag der Kunst, Dresden, Basel 1993, S. 299 4 Vgl. Wichmann, Hans: Aufbruch zum neuen Wohnen. Deutsche Werkstätte und WK-Verband (1898-1990), Basel und Stuttgart 1992,S. 18
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