Anlage 5 Hugo Lippmann (1866-1939)
Hugo Lippmann war mit der Kunsttöpferei Festersen eng verbunden. Vor Friedrichs Tod 1915 arbeitete er als Vertreter der Töpferei und danach fungierte er als deren Geschäftsführer. Der Beginn der Zusammenarbeit ist nicht dokumentiert. Ebenso unklar ist, wie die Zusammenarbeit zustande kam. Möglicherweise lernten sich Hugo und Friedrich als Vertreter für Bauerntöpferei kennen, eventuell war Hugo einer der Großhändler von denen Friedrich seine Ware bezog. In der Dokumentenmappe im Landesarchiv Berlin wird Hugo Lippmann als Vertreter für Friedrich Festersen benannt. Es bleibt (bisher) unklar, was die Bezeichnung „Vertreter“ in der damaligen Zeit genau meinte. Richtete sich das Angebot an den Einzelhandel/Großeinkäufer oder auch an den Endkunden? Seine Tätigkeit als Geschäftsführer ab 1916 lässt sich durch den Gesellschaftervertrag der GmbH belegen und durch Einträge im Berliner Adressbuch. Die geschäftliche Tätigkeit von Hugo Lippmann als Kunstgewerbe-Händler spiegelt sich in den Einträgen der Berliner Adressbücher, in Annoncen und Berichten aus den damaligen Zeitungen und Zeitschriften wider. 1900 und 1899 deutet kein Eintrag auf einen im Kunstgewerbehandel tätigen Hugo Lippmann hin. In den Adressbüchern für 1901 bis 1912 existierte eine Firma namens Hugo Lippmann & Co in Berlin. 1901 unterhält Hugo Lippmann & Co ein Musterlager f. Export u. Engros in der Alten Jacobistr. 24. Außerdem leistet er sich ein Inserat im Adressbuch, in dem er seine Dienste als Vertreter einer heute in Vergessenheit geratenen Firma (Th. Schlüter Kunstgewerbl. Institut in Köln) bekannt gibt1. Kurze Zeit später wechselt er in die für den Kunsthandel berühmte Ritterstraße und bleibt dort bis 1912 an verschiedenen Standorten, immer als Musterlager f. Export u. Engros. Des Weiteren taucht die Firma Hugo Lippmann & Co, Berlin in diversen Zeitschriften auf, in denen über die keramische Industrie & Kunstgewerbe informiert wird2. 1904 Werbung für kunstgewerbliche Kupferwaren von Winhart & Co Musterlager bei Hugo Lippmann & Co Berlin, Ritterstraße 523. 1906 mehrere Einträge im „Adressbuch der keramischen Industrie“ als Vertreter u.a. für Bauerntöpferei4. 1907 Vertreter, Ritterstr. 41, für Elisabeth Schmidt-Pecht, Konstanz, Bauerntöpferei5 und Goldscheider Porzellan-Manufactur und Majolika-Fabrik (1885 von Friedrich Goldscheider in Wien gegründet), Wien6. 1909 Vertreter für: Rörstrand (Schwedische Manufaktur Stockholm), P. Ipsens Enke und Königlich Kopenhagen (Königliche Porzellanmanufaktur) in Kopenhagen; Elisabeth Schmidt-Pecht, J. und A Mas in Gent, Hermann A. Kähler in Nestved, L.R. Schütz (Steirische Bauerntöpfereien) in Cilli-Pletrowitsch, Josef Riedel in Polaun7. 1910 Anzeige anlässlich der Weltausstellung in Brüssel: Vertrieb von Max Laeuger8 (gegründet 1897), die zu den Tonwerke Kandern gehörte, durch Hugo Lippmann & Co9. 1912 zur Messe in Leipzig u.a. mit Festersenwaren.10 In Leipzig muss er auch schon vorher vertreten gewesen sein, siehe Fußnote zu 1906. Wahrscheinlich nahm er jährlich daran teil.
Im Adressbuch für 1913 ist kein Eintrag mehr von Hugo Lippmann & Co zu finden, stattdessen taucht ein neuer Eintrag auf: Hugo Lippmann, Vertreter in Kunstgewerbe und Luxuswr. SW48, Wilhelmstr. 39. Wohn. Friedenau Offenbacher Str. 4. Die Wohnadresse Offenbacher Str. 4 bleibt bis zum Verschwinden seiner Frau 1941 aus den Adressbüchern bestehen. Auch 1914 bleibt sein Geschäft in der Wilhelmstr. 39, 1915 und 1916 ist es dann in der Linkstr. 33 (Berlin W9). 1916 wurde er Geschäftsführer der Friedrich Festersen’s Kunsttöpferei GmbH. Seine Tätigkeit als Geschäftsführer ist auch im Berliner Adressbuch ab 1917 vermerkt: Friedrich Festersen’s Kunsttöpferei G.m.b.H. W 35 Lützowstr. 2 T. Lzw. 1185 Geschäftsführ. Hugo Lippmann. 1917 zur Messe in Leipzig11. 1917 befindet sich sein Geschäft in der Lützowstr. 2 und ab 1918 in die Lützowstr. 105 wo es bis 1927 eingetragen bleibt. Er vertrat weiterhin mehrere Firmen, wie sein Anzeigentext zur Leipziger Messe 1917 beweist: Hugo Lippmann, Zur Messe: Zentralmessepalast, Kunstporzellane, Kunstgläser, Kunsttöpfereien, Marmorarbeiten12. In der Lützowstr. 105 gibt es, solange die Kunsttöpferei besteht, zwei Einträge: einen für die Kunsttöpferei und einen für Hugo Lippmann als Vertreter. Die Handelsregisternummer von Hugo Lippmann, Lützowstr. 105 ist bekannt: A409313 und kann möglicherweise zu weiteren Informationen führen. Im Jahr 1939 verstirbt der ehemalige Geschäftsführer14. Diese Angaben passen auf einen weitläufigen Verwandten (Großvetter) des jüdischen Staatsrats Leo Lippmann (1881-1943), der über den Stammbaum der Familie ausfindig gemacht werden konnte15. Zwei Dokumente im Staatsarchiv Hamburg bestätigen, dass der Hugo Lippmann aus der Verwandtschaft von Leo Lippmann derjenige ist, der für die Kunsttöpferei Friedrich Festersen tätig war16. Hugo Lippmann wurde am 11. Mai 1866 in Wandsbek geboren. Sein Vater, Henri (Henry) Lippmann, war zweimal verheiratet. Hugo war sein drittes Kind. Er machte eine Ausbildung als Kaufmann bei der Firma Friedländer & Co bei Hamburg und ging danach für die Firma 1885 nach Brasilien. Nach einem kurzen Aufenthalt in Deutschland und nach Ableistung des Militärdienstes als Freiwilliger gründete er im Jahre 1890 in Lissabon unter der Firma Hugo Lippmann & Co eine Sardinen (Gardinen?) Fabrik. 1893 heiratete er Sophie Charlotte geb. Friedländer und 1894 wurde sein einziges Kind, eine Tochter geboren. Widrige Verhältnisse / berufliches Scheitern zwangen ihn 1899 nach Deutschland zurück, wo er in Berlin ein Musterlager für Kunstgewerbe eröffnete17. 1928 mit ca. 62 Jahren gab er den Kunstgewerbehandel aufgrund der schlechten Nachfrage und gesundheitlichen Gründen auf. Am 14. März 1939 verstarb er mit fast 73 Jahren. Seine Frau überlebte das KZ Theresienstadt und starb 1949. Seine einzige Tochter wurde in Auschwitz ermordet. Nur der Enkeltochter gelang die Flucht nach Brasilien, wo heute Hugos Nachfahren leben. Hugo hatte eine künstlerische Begabung, die sich als Schüler in einem besonderen Talent fürs Zeichnen zeigte und die er im Alter in der bildhauerischen Gestaltung u.a. von kleinen Skulpturen von Familienangehörigen auslebte.
1 Adressbuch für Berlin 1901. Hugo Lippmann Musterlager f. Export u. Engros SW Alte Jacobistr. 24 I Tel. IV 1228 Inh. Hugo Lippmann Wohn. W Eichhornstr. 9 Anhang Inserate S. 63 2 Leider fehlen in den meisten Bibliotheksexemplaren die Seiten mit Werbung, in denen auch Lippmans Anzeigen geschaltet waren 3 Die Kunst / Dekorative Kunst: illustrierte Zeitschrift für angewandte Kunst 1904; Bruckmann, München: Beilage zu Heft 9. archive.org/details/bub_gb_FKxaAAAAYAAJ 4 Adressbuch der keramischen Industrie Ausgabe 9. Verlag Müller, 1906. Jeder Eintrag scheint Teil einer Aufzählung zu einem Oberthema zu sein. Leider wird das bei google books snippets nicht angezeigt: S. 296 Musterlager und Vertreter in Berlin S.W. 68, Hugo Lippmann & Co. für Bauerntöpfereien; S. 8 Berlin SW. 68 Ritterstraße 52 Hugo Lippmann & Co. S. 224 Vertreter in Berlin SW. 68, Ritterstraße 52, Hugo Lippmann & Co. – Zur Messe in Leipzig: Petersstr. 25, III. Etage, Zentral-Hotel „Kunstgewerbesäle“. 5 Tonindustrie-Zeitung 1907 Bd. 31, 2. Sonderausstellung neuzeitlicher deutscher Stein- und Töpferwaren im Königlichen Kunstgewerbe-Museum zu Berlin, S. 982-984 und 996-1000 6 Filipp Goldscheider, Robert E. Dechant (2008). Goldscheider - Weltmarke der Keramik. Firmengeschichte und Werkverzeichnis. Arnoldsche Art Publishers, 637 Seiten. S. 65 und 67 7 Schmidt, Robert: „Aus den Berliner Musterlagern“. Keramisches Jahrbuch: Jahresbericht über die Fortschritte der gesamten Ton-, Glas- und Mörtelindustrie 1909 Bd. 1, S. 250-259 8 Im Jahre 1895 richtete die »Kanderner Tonwarenfabrik Ernst Kammüller (später unter »Tonwerke Kandern GmbH« firmierend) in Kandern eine Abteilung für Kunstkeramik ein, deren Leitung der junge Maler und Innenarchitekt Max Laeuger (1864-I952) übernahm. Die Abteilung wurde unter dem Namen »Prof. Laeuger'sche Kunsttöpferei-Tonwerke Kandern« international bekannt. Laeuger setzte in dieser Werkstatt seine künstlerischen Entwürfe um und ließ nach seinen technischen Vorstellungen Vasen, Schalen, Wandteller, Kannen und im Besonderen Wandfliesen und Fliesenbilder für Brunnen- und Kaminverkleidungen erzeugen. Eine Vielzahl seiner Entwürfe führte er dabei auch selbst aus. Laeuger griff für seine mit dem Malhorn aufgetragenen Schlickerdekore auf die Traditionen der Schwarzwälder Bauernkeramik zurück und führte die Schlickermalerei zu neuer Blüte. Auf der Pariser Weltausstellung 1910 wurden seine mit Schlickerdekoren verzierten Gefäße international beachtet und mit einer Goldmedaille prämiert. 1912/13 wurden in der »Laeugerschen Kunsttöpferei« Figuren und Tierplastiken von Bernhard Hoetger realisiert. Im Jahre I9I3 verließ Max Laeuger die Firma und die künstlerische Leitung wird Hermann Hakenjos sen. übertragen. Im Jahre I915 Umbenennung in "Tonwerke Kandern Abt. Kunsttöpferei", die schließlich I929 aufgelöst wird. Das Unternehmen besteht noch heute und erzeugt Grobkeramik. 9 Weltausstellung Brüssel 1910: Deutsches Reich; Amtlicher Katalog. Berlin: Stilke. 10 9 Anzeigen von Festersen in der vermerkt ist: Kunstgewerbesäle bei H. Lippmann Heft 7 (14.2.1914,S. 181), Heft 8 (21.2.1914, S. 247), Heft 9 (28.2.1914, S. 315), Heft 32 (8.8.1914, S. 777) und Heft 33 (15.8.1914, S. 798) in „Die Porzellan- und Glashandlung” 11 „Die Porzellan- und Glashandlung” Nr. 8 vom 24.2.1917 (17. Jahrgang), S. 168 12 „Die Porzellan- und Glashandlung” Nr. 8 vom 24.2.1917 (17. Jahrgang), S. 168 13 Auskunft aus „Datenbank jüdischer Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945“ http://www2.hu-berlin. de/djgb/www/about; Hugo Lippmann hatte sein Geschäft schon vor der Enteignung aufgegeben, dennoch wurde er als kurzer Eintrag erfasst 14 Im Berliner Adressbuch für 1940 wechselt der Eintrag in der Offenbacher Str. 4 von Lippmann, H. auf Lippmann, S Ww. 15 über das Portal ancestry.com und Kontakt zum dortigen Stammbaumverwalter der Familie Lippmann, P.F. Australien 16 Gemeinsame Aufzeichnungen seiner Frau & Tochter zu Hugo Lippmann, Staatsarchiv Hamburg 622-1/55 Lippmann, Nr. A 16. Sowie ein Brief von Hugo Lippmann an Prof. Dr. med. Arthur Lippmann, der von der Adresse Offenbacher Straße 4, Berlin-Friedenau abgeschickt wurde, Staatsarchiv Hamburg, 622-1/55 Lippmann, Nr. B5 17 Staatsarchiv Hamburg 622-1/55 Lippmann, Nr. A 16 „In Berlin richtete er ein Musterlager für den Vertrieb des damals in Mode kommenden Kunstgewerbes ein. Bei den vielen Künstlern, mit denen ihn sein Geschäft zusammenführte, und die ihm manche wertvolle Anregung verdanken, war Hugo sehr beliebt. So beteiligte er sich auch an einer keramischen Fabrik.“
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