Anlage 2 Sonja Festersen, geb. Merlis (1881-1939) Sonja, geboren am 5. Januar 1881 als Sora (Sara?) Esther Merlis1, entstammt einer alteingesessenen jüdischen Familie2 aus dem damals russischen Koidanow heute Dsjarschynsk bei Minsk, Weißrussland. Bevor Koidanow 1941 von den Deutschen besetzt und die jüdischen Bürger ermordet wurden, gab es dort eine große lebendige jüdische Gemeinde (shtetl) aus Chassidim und Mitnagdim3. Manch einer sandte seine Kinder nach Deutschland, um sie dort ausbilden zu lassen4. Etliche Mitglieder der Gemeinde waren bereits im 19. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert. Auf der Heiratsurkunde mit Friedrich Festersen wird sie als Verkäuferin bezeichnet, ebenso wie Friedrich wohnhaft in der Lützowstraße 31. Möglicherweise arbeitete sie im Laden von Heinrich Festersen. Der Ehe mit Friedrich entstammen zwei Kinder5: Hans Heinrich 1907-1942, der nach einer zerebralen Kinderlähmung eine dauerhafte Gehbehinderung davongetragen hatte. Er wurde als Klavierstimmer ausgebildet. Unter dem nationalsozialistischen Regime wurde er als Homosexueller und wegen sogenannter Minderwertigkeit ermordet. Ruth 1909-1991, die der Verfolgung durch die Nationalsozialisten („Halbjüdin“) entkam und als Theaterschauspielerin in der DDR lebte. Von 1916 bis 1922 führte Sonja die Kunsttöpferei zusammen mit Hugo Lippmann als GmbH weiter. Neben der Kunsttöpferei war sie auch von 1916-1931 Inhaberin der Porzellanwarenhandlung in der Lützowstraße 316. Ab ca. 1916 wohnten sie in der Genthiner Straße 177. 1939 stirbt Sonja in Berlin nach einer Krankheit. Weil sie in der Lage war, die Töpferei und die Porzellanwarenhandlung nach Friedrichs Tod weiterzuführen, wäre es interessant, ihren Anteil an der Entstehung und dem Erfolg der Kunsttöpferei zu kennen. Leider ist davon nichts überliefert. Hatte sie eine künstlerische Ausbildung, hat sie für die Töpferei Entwürfe gefertigt?
1 Angaben aus dem standesamtlichen Heiratseintrag mit Friedrich Festersen, eingesehen als digitale Kopie bei ancestry.com. Bei Theis, Heinz-J. (Hrsg.): Kunsttöpferei Friedrich Festersen (Berlin 1909-1922), 52 Seiten, Berlin 2009 und Winnicke, Winfried: Allgemeines Künstlerlexikon (AKL), München 2003, wird sie als Sora Esther Abramowna Merlis bezeichnet 2 Der Name Merlis wird auch Marlis, Merlish oder Merliss geschrieben (Transliteration eines hebräischen Namens). Koidanow auch Koidanov, Kojdanow, Koydenov 3 www.wikipedia.org/wiki/Dzyarzhynsk, de.wikipedia.org/wiki/Dsjarschynsk; 1897 lebten in Koidanov 3156 Juden (67% der Bevölkerung), aus „The Goose Girl, the Rabbi, and the New York Teachers: A Family Memoir“, Deborah Heller 2013. iUniverse, S. 23 4 mehr über das Leben in Koidanov http://www.jewishgen.org/yizkor/Dzyarzhynsk/dza213.html#Page235 und http://www.jewishgen.org/yizkor/Dzyarzhynsk/Dzyarzhynsk.html 5 Alle Angaben aus Theis 2009, Quellen: siehe dort. 6 Im Berliner Adressbuch für 1931 ist im Branchenverzeichnis in der Rubrik „Glas-, Kristall- und Porzellanwaren (Einzelhandel)“ der letzte Eintrag. In den Jahren davor hatte Sonja dort immer einen Eintrag. Festersen, Sonja W 35 Lützowstr. 31 T.-krf. 6720; Die Einträge für die Lützowstr. 31 im Straßenverzeichnis wurden nicht überprüft. 7 Im Berliner Adressbuch für 1915 ist bei Festersen, Friedrich keine Wohnadresse angegeben. Erst 1916 steht Festersen, Friedrich[...] Wohn. W35 Genthiner Straße 17 Gh II, Einträge nach 1922 nicht mehr weitere verfolgt, bis dahin unverändert Genthiner Str. 17
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